Myelodysplastisches Syndrom (MDS) (2024)

Kurzübersicht

  • Symptome: Müdigkeit, verringerte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, Kurzatmigkeit, erhöhter Puls, Blässe, Schwindel, erhöhte Infektanfälligkeit, stärkere Blutungsneigung
  • Krankheitsverlauf und Prognose: Durch die gestörte Blutbildung kommt es im Krankheitsverlauf zu einem Mangel verschiedener Blutzellen. Viele Betroffene versterben den Folgen dieses Mangels, wie Infektionen oder Blutungen. Manchmal geht das MDS in eine akute Leukämie über. Insgesamt ist die Prognose eher ungünstig, eine Heilung selten.
  • Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem Risikotyp des MDS: Beim Niedrig-Risiko-MDS erfolgt lediglich eine unterstützende Therapie, die die Beschwerden lindert, beim Hochrisiko-Typ erfolgt nach Möglichkeit eine Stammzelltransplantation, alternativ eine Chemotherapie.
  • Ursachen: Beim MDS stören genetische Veränderungen in den Blutstammzellen die normale Blutbildung, es entstehen vermehrt funktionslose Blutzellen.
  • Risikofaktoren: Zu den Risikofaktoren zählen zum Beispiel vorangegangene Chemo- oder Strahlentherapien sowie der Kontakt mit bestimmten Giftstoffen (zum Beispiel Benzol).
  • Diagnose: Ein Verdacht ergibt sich in der Regel aufgrund der Beschwerden, die Diagnose MDS erfolgt anhand typischer Veränderungen im Blutbild sowie einer Knochenmarkspunktion
  • Vorbeugen: Da die Gründe für die genetischen Veränderungen der Blutstammzellen in den meisten Fällen nicht bekannt sind, ist es in der Regel nicht möglich, der Erkrankung vorzubeugen. Es ist aber ratsam, beim Umgang mit bestimmten Chemikalien oder radioaktiver Strahlung die geltenden Sicherheitsbestimmungen einzuhalten.
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Was ist MDS?

Ein Myelodysplastisches Syndrom (MDS, Myelodysplasie) umfasst eine Gruppe von Krankheiten, die das Knochenmark und damit die Blutbildung betreffen. Normalerweise entwickeln sich im Knochenmark verschiedene Typen von Blutzellen, die im Körper für unterschiedliche Aufgaben zuständig sind. Dazu zählen:

  • Rote Blutkörperchen (Erythrozyten): Sauerstofftransport
  • Weiße Blutkörperchen (Leukozyten): Teil des Immunsystems
  • Blutplättchen (Thrombozyten): Blutgerinnung

Alle drei Zellreihen gehen in einem komplizierten Teilungs- und Reifungsprozess aus blutbildenden Stammzellen hervor. Bei Menschen mit MDS weisen diese Stammzellen jedoch Veränderungen in der Erbsubstanz (DNA) auf. Dadurch sind sie in ihrer Funktion und Entwicklung beeinträchtigt. Sie bringen fehlerhafte Blutzellen hervor, die nach und nach die gesunden, nicht betroffenen Zellreihen verdrängen.

In der Folge sind beim MDS zu wenige funktionsfähige Blutzellen im Blut vorhanden. Mediziner bezeichnen diesen Mangel auch als Zytopenie. Im Knochenmark hingegen häufen sich übermäßig viele unreife Blutzellen (Blasten) an. Sie sind nicht in der Lage, ihren Reifeprozess zu vollenden und intakte rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen oder Thrombozyten hervorzubringen.

Welche der drei aus den Stammzellen hervorgehenden Zelllinien beim MDS betroffen sind und wie stark, ist individuell unterschiedlich. Das ist auch der Grund, warum es nicht „das“ Myelodysplastische Syndrom gibt. Wenn zwei der drei Zellreihen betroffen sind, sprechen Ärzte von einer Bizytopenie, wenn alle drei betroffen sind, von einer Panzytopenie.

Wie häufig kommt das MDS vor?

Das MDS kommt am häufigsten bei Menschen um das 75. Lebensjahr vor. Jährlich erkranken etwa vier bis fünf von 100.000 Personen am Myelodysplastischen Syndrom, bei den über 70-jährigen sind es sogar mehr als 30 von 100.000. Damit gehört das MDS zu den häufigen bösartigen Erkrankungen des Blutes, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen.

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Welche Symptome treten beim MDS auf?

Ein Myelodysplastisches Syndrom verläuft bei ungefähr 20 Prozent der Betroffenen ohne Symptome, die Diagnose der Krankheit erfolgt bei ihnen meist zufällig. Bei 80 Prozent der Betroffenen entstehen die Beschwerden durch die verminderte Zahl bestimmter Blutzellen.

Blutarmut: Bildung oder Funktion der roten Blutkörperchen beeinträchtigt

Eine Blutarmut (Anämie) kommt beim MDS in 70 bis 80 Prozent der Fälle vor und ist damit die häufigste Folge einer Myelodysplasie. Sie entsteht, weil bei einem MDS die normale Bildung der roten Blutkörperchen und des Hämoglobins gestört ist. Das Hämoglobin ist der rote Farbstoff in den roten Blutplättchen, der für den Sauerstofftransport wichtig ist. Ist davon zu wenig vorhanden, kommt es unter Umständen zu Anzeichen eines Sauerstoffmangels.

Betroffene fühlen sich schwach und sind chronisch müde. Die körperliche Leistungsfähigkeit ist herabgesetzt, schon bei geringer körperlicher Anstrengung kommt es zu Kurzatmigkeit und einem schnellen Puls (Tachykardie). Oft ist die Haut auffallend blass. Auch Konzentrationsschwäche, Sehstörungen, Appetitlosigkeit, Magen-Darm-Beschwerden und Kopfschmerzen treten bei einigen Menschen auf. Darüber hinaus zählen Schmerzen jedoch nicht zu den typischen Symptomen beim Myelodysplastischen Syndrom.

Infekte: Bildung oder Funktion der weißen Blutkörperchen beeinträchtigt

Bei Menschen mit MDS ist häufig die Anzahl der weißen Blutkörperchen vermindert (Leukopenie). Dadurch ist das Immunsystem nicht mehr in der Lage, ausreichend auf Krankheitserreger zu reagieren. Das Myelodysplastische Syndrom führt deshalb in etwa einem Drittel der Fälle zu vermehrten Infektionen, die teilweise von Fieber begleitet sind.

Blutungsneigung: Bildung oder Funktion der Blutplättchen beeinträchtigt

Etwa die Hälfte der Betroffenen weist bei der Erstdiagnose einen Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) auf. Ist die Anzahl der Blutplättchen verringert, kommt es leichter zu Blutungen. Die Blutplättchen sorgen bei Verletzungen normalerweise für die Blutgerinnung und stoppen so den Blutfluss. Eine erhöhte Blutungsneigung macht sich beispielsweise an kleinen punktförmigen Blutungen unter der Haut bemerkbar, den sogenannten Petechien. Auch vermehrtes Zahnfleischbluten oder häufige Blutergüsse sind typisch.

Weitere Symptome

Es gibt aber Krankheitszeichen, die nicht unmittelbar mit der verminderten Zellzahl der einzelnen Blutzellen zusammenhängen. In 20 bis 50 Prozent der Fälle ist zum Beispiel die Milz vergrößert (Splenomegalie). Ihre Funktion ist es unter anderem, defekte und veraltete rote Blutkörperchen auszusortieren. Entstehen bei einer Myelodysplasie vermehrt nicht-funktionstüchtige rote Blutkörperchen, muss auch die Milz ihre Arbeitsleistung erhöhen. Dies wird durch eine Vergrößerung des Organs sichtbar. Ebenso ist manchmal die Leber vergrößert (Hepatomegalie) und löst unter Umständen ein dumpfes Druckgefühl im rechten Oberbauch aus.

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Ist MDS heilbar oder behandelbar?

Je nach Risikogruppe unterscheidet sich bei der Diagnose „Myelodysplastisches Syndrom“ der Krankheitsverlauf deutlich, und damit auch die Prognose und die Lebenserwartung. Faktoren, die den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen, sind zum Beispiel ein hoher Anteil von Blasten, komplexe chromosomale Veränderungen, eine stark ausgeprägte Zytopenie, ein höheres Alter oder ein schlechter Allgemeinzustand.

Zur Einschätzung der Prognose und der Lebenserwartung ziehen Ärzte bestimmte Untersuchungsbefunde heran und ermitteln daraus ein Risikoprofil. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt

  • bei sehr niedrigem Risiko im Mittel knapp neun Jahre (106 Monate)
  • bei niedrigem Risiko gut fünf Jahre (64 Monate)
  • bei mittlerem Risiko drei Jahre (36 Monate)
  • bei hohem Risiko gut 1,5 Jahre (19 Monate)
  • bei sehr hohem Risiko etwa zehn Monate

Im Krankheitsverlauf verdrängen die entarteten Stammzellen zunehmend die gesunden Zellen im Knochenmark. Todesursache sind bei über 70 Prozent der Betroffenen im Krankheitsverlauf auftretende Infektionen und Blutungen oder eine plötzlich entstandene akute myeloische Leukämie (AML). Diese Komplikationen sind unmittelbare Folgen des MDS und der hierdurch gestörten Blutbildung.

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Behandlung

Da sich Myelodysplastische Syndrome von Mensch zu Mensch deutlich in ihrem Krankheitsverlauf unterscheiden, erfolgt auch die Behandlung individuell ganz unterschiedlich. Neben dem Gesundheitszustand des Betroffenen und seinen Wünschen richtet sich die Therapie des MDS vor allem nach dem Schweregrad der Erkrankung.

Deshalb berechnet der Arzt anhand der Ergebnisse von Blut- und Knochenmarkstests sowie den identifizierten genetischen Veränderungen zunächst das individuelle Risiko des Betroffenen. Bei Menschen mit einem Niedrigrisiko-MDS ist der Krankheitsverlauf in der Regel mild. Bei Menschen mit Hochrisiko-MDS schreitet die Erkrankung schneller fort. Sie benötigen deshalb eine intensivere Behandlung, zumal auch ein höheres Risiko besteht, dass das MDS in eine akute Leukämie übergeht.

Behandlung des Niedrigrisiko-MDS

Bei Menschen mit Niedrigrisiko-MDS schreitet die Erkrankung langsam fort, sie benötigen daher oft über viele Jahre nur geringfügige therapeutische Unterstützung. Sind noch keine Symptome aufgetreten, ist oft eine "Watch and Wait"-Strategie sinnvoll, also "Beobachten und Abwarten": Dabei kontrolliert der Arzt regelmäßig den Krankheitsverlauf. Erst, wenn die Erkrankung tatsächlich fortschreitet, leitet er eine Therapie ein.

Häufigster Grund für den Therapiebeginn beim Niedrigrisiko-MDS sind die durch den Mangel an roten Blutkörperchen (Anämie) ausgelösten Symptome. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität oft erheblich.

Unterstützende Therapie

In der Regel kommt bei einem Niedrig-MDS eine „supportive Therapie“ zum Einsatz, also eine unterstützende Behandlung der Krankheit. Ziel ist es, den Funktionsverlust zu ersetzen, ohne die Erkrankung allerdings damit zu heilen. Mögliche unterstützende Maßnahmen beim Myelodysplastischen Syndrom sind zum Beispiel:

  • Transfusion von roten und weißen Blutzellen oder Blutplättchen
  • Medikamente, die Eisen im Blut binden (Eisenchelatoren). Dies ist notwendig, weil die wiederholten Bluttransfusionen sonst eine Eisenüberladung des Körpers verursachen.
  • Frühzeitige Antibiotikagabe bei jedem unklaren Infekt
  • Impfung gegen Pneumokokken und jährliche Grippeimpfung
  • Verzicht auf nicht-steroidale Schmerzmittel oder Kortison

Therapie mit Wachstumsfaktoren

Beim Myelodysplastischen Syndrom verringert sich die Menge bestimmter Zellarten im Blut. Damit der Körper vermehrt neue Zellen dieser Zellart herstellt, lässt sich die Blutbildung durch bestimmte Medikamente stimulieren. Das Hormon Erythropoetin (beim Doping im Sportbereich auch als EPO bekannt) oder der Wirkstoff Valproinsäure fördern zum Beispiel die Bildung roter Blutkörperchen. Bei Patienten, die nicht oder nicht ausreichend auf die Behandlung mit Wachstumsfaktoren ansprechen, kommt alternativ der Wirkstoff Luspatercept zum Einsatz. Er fördert die Bildung reifer, roter Blutkörperchen.

Beeinflussung des Immunsystems

Ein Myelodysplastisches Syndrom betrifft auch die Zellen des Immunsystems. Bei Betroffenen mit ganz bestimmten genetischen Veränderungen hilft häufig ein Medikament, das es dem Immunsystem erleichtert, Tumorzellen wirksamer zu bekämpfen. Außerdem wirkt die Substanz auch direkt gegen die Tumorzellen und steigert zudem die Blutbildung. Langfristig benötigen Betroffene dadurch weniger Bluttransfusionen.

Andere Menschen mit MDS profitieren hingegen von einer Therapie, die das Immunsystem unterdrückt. Etwa 30 Prozent der Betroffenen benötigen im Anschluss keine Transfusionen mehr.

Allogene Stammzelltransplantation

Die allogene Stammzelltransplantation ist die einzige Therapie beim MDS, die eine Heilung möglich macht. Aufgrund der Schwere des Eingriffs ist sie in der Regel Menschen mit einer Hochrisiko-Erkrankung vorbehalten. In bestimmten Fällen wird der Arzt sie jedoch auch bei Betroffenen mit niedrigem Risiko in Betracht ziehen. Das gilt insbesondere, wenn der Mangel an Blutzellen (Zytopenie) sehr stark ausgeprägt ist oder wenn bestimmte Mutationen vorliegen, die die Prognose unter Umständen ungünstig beeinflussen.

Bei der allogenen Stammzelltransplantation erhält der Betroffene zunächst eine hochdosierte Chemotherapie. Sie zerstört alle Zellen im Knochenmark, darunter die für die Erkrankung verantwortlichen genetisch veränderten Stammzellen, aber auch die gesunden blutbildenden Zellen. Nach einer Hochdosis-Chemotherapie ist das Knochenmark deshalb nicht mehr in der Lage, Blutzellen zu bilden.

Deshalb erhält der Betroffene im Anschluss an die Hochdosis-Chemotherapie Spenderstammzellen von einem anderen Menschen. Diese siedeln sich im Knochenmark an und bringen die körpereigene Blutbildung wieder in Gang. Es ist jedoch nicht immer einfach, einen Menschen zu finden, der genetisch ähnlich genug ist, um als Spender infrage zu kommen.

Myelodysplastisches Syndrom: Behandlung des Hochrisiko-MDS

Für die Behandlung des Myelodysplastischen Syndroms der Hochrisikogruppe gibt es mehrere Optionen. Dazu gehören unter anderem die Veränderung des DNA-Stoffwechsels mit Azacitidin, eine Chemotherapie oder eine allogene Stammzelltransplantation. Die Stammzelltransplantation ist die einzige Therapieoption, die möglicherweise eine Heilung des MDS ermöglicht.

Grundsätzlich gilt die Stammzelltransplantation bei allen Patienten mit einem Hochrisiko-MDS als Therapie der ersten Wahl. Nur wenn sie nicht möglich ist, kommen die anderen Verfahren bei der MDS-Behandlung zum Einsatz. Das ist beispielsweise bei Menschen mit schlechtem Allgemeinzustand der Fall, für die eine Stammzelltransplantation zu belastend wäre.

Palliativbetreuung: Behandlung im Endstadium

Bei betroffenen Menschen, die sich im Endstadium der Erkrankung befinden, beginnt die palliativmedizinische Versorgung. Ziel ist es nun nicht mehr, eine Heilung zu erzielen oder das Leben zu verlängern. Stattdessen steht im Vordergrund, die Lebensqualität so gut wie möglich zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern, Beschwerden zu lindern und den Betroffenen Zuwendung und Nähe zu vermitteln. Zu den behandelbaren Symptomen im Endstadium einer Krebserkrankung zählen zum Beispiel Schmerzen, Energielosigkeit, Müdigkeit, Atemnot und Magen-Darm-Probleme.

Eine palliativmedizinische Versorgung ist sowohl ambulant als auch stationär möglich. Einen Anspruch auf ambulante Betreuung haben gesetzlich Versicherte, die sich im Endstadium der Erkrankung befinden und bei denen die Sterbephase absehbar ist. Ihnen soll es durch das Angebot weiterhin möglich sein, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Aber auch Palliativstationen in Krankenhäusern sind oft besonders wohnlich gestaltet, damit sie so wenig wie möglich an ein Krankenhaus erinnern. Ein Arzt ist hier rund um die Uhr verfügbar.

Ernährung beim MDS

Eine besondere Ernährung ist beim Myelodysplastischen Syndrom normalerweise nicht erforderlich. Allerdings gibt es für Betroffene, die eine allogene Stammzelltransplantation erhalten haben, gewisse Einschränkungen: Der Körper ist nach einer Hochdosis-Chemotherapie für einige Zeit nicht in der Lage, sich gegen Krankheitserreger zu schützen. Es ist deshalb wichtig, auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten, die möglicherweise besonders stark mit Keimen belastet sind.

Dazu zählen zum Beispiel:

  • Rohes Fleisch und roher Fisch
  • Roh- und Frischmilchprodukte
  • Schimmelkäse
  • unerhitztes Obst und Gemüse
  • Nüsse, Mandeln, Keimlinge und Getreideprodukte (diese sind häufig mit Schimmelsporen belastet)

Betroffene erhalten dazu nach einer Stammzelltransplantation umfassende Informationen vom Krankenhauspersonal.

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Ursachen und Risikofaktoren

Die verschiedenen Blutzellen gehen beim Menschen aus Stammzellen im Knochenmark hervor. Bei gesunden Menschen durchlaufen diese verschiedene Reifungs- und Teilungsstadien, bevor aus ihnen letztlich rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen und Blutplättchen hervorgehen. Bei Patienten mit MDS sind die blutbildenden Stammzellen im Knochenmark entartet und die normale Blutbildung (Hämatopoese) gestört.

Die krankhaft veränderten Stammzellen produzieren massenhaft funktionslose Zellen. Diese sterben schnell ab oder werden in der Milz aussortiert. Bei manchen Patienten, die ein Myelodysplastisches Syndrom haben, vermehren sich die unreifen Stammzellen mit der Zeit massiv und unkontrolliert. Das MDS geht dann in eine akute Leukämie über. Deswegen sprechen Mediziner beim Myelodysplastischen Syndrom auch von Präleukämie, also einem Vorstadium der Leukämie.

Ursache für die entartete Blutbildung sind Veränderungen im Erbmaterial. Die Gründe für die Veränderungen sind in über 90 Prozent der Fälle nicht geklärt (primäres Myelodysplastisches Syndrom). Bei zehn Prozent der Betroffenen lassen sich allerdings mögliche Auslöser identifizieren (sekundäres Myelodysplastisches Syndrom). Hierzu zählen zum Beispiel

  • eine vorangegangene Chemotherapie mit Zellgiften (Zytostatika),
  • Bestrahlungen (beispielsweise zur Behandlung einer Krebserkrankung oder bei Kernkraftunfällen),
  • eine Radiojodtherapie (bei Schilddrüsenüberfunktion oder Schilddrüsenkrebs) sowie
  • Benzol und andere Lösungsmittel.

Auch wenn das Myelodysplastische Syndrom auf Veränderungen in der Erbsubstanz zurückzuführen ist, ist die Erkrankung nicht vererbbar. Die genetischen Veränderungen an den Stammzellen entstehen in der Regel erst zufällig im Laufe des Lebens unter dem Einfluss bestimmter Umweltfaktoren. Einige Menschen haben allerdings genetisch bedingt eine erhöhte Neigung, am MDS zu erkranken. In den Familien der Betroffenen tritt die Erkrankung dann möglicherweise gehäuft auf.

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Untersuchungen und Diagnose

Der richtige Ansprechpartner bei Verdacht auf ein Myelodysplastisches Syndrom ist ein Facharzt für Innere Medizin, der auf Erkrankungen des Blutes beziehungsweise auf Krebserkrankungen spezialisiert ist (Hämatologe, Hämatoonkologe). Beim Arzttermin erkundigt sich der Arzt zunächst nach den aktuellen Beschwerden und eventuellen Vorerkrankungen (Anamnese). Der Mediziner wird sich bei Verdacht auf ein Myelodysplastisches Syndrom zum Beispiel erkundigen, ob

  • der Betroffene in letzter Zeit müde und abgeschlagen oder weniger leistungsfähig ist,
  • er auch bei geringer körperlicher Anstrengung leicht außer Atem kommt,
  • er häufiger Herzklopfen oder Schwindel hat,
  • er in letzter Zeit vermehrt an Infekten leidet,
  • er zu punktförmigen Hauteinblutungen (Petechien) oder verstärktem Nasenbluten neigt und ob
  • er in der Vergangenheit bestrahlt wurde oder eine Chemotherapie erhalten hat.

Nach der Anamnese folgt die körperliche Untersuchung. Dabei prüft der Arzt vor allem, ob die Leber oder die Milz vergrößert sind und ob Lymphknoten angeschwollen sind. Da das MDS eine Erkrankung des Blutes ist, ist eine Blutuntersuchung für die MDS-Diagnose unverzichtbar. Sie dient unter anderem dazu, mögliche andere Ursachen für die Symptomatik abzuklären. Neben dem Blut untersucht der Arzt bei Verdacht auf MDS auch das Knochenmark.

Blutuntersuchung

Den ersten Hinweis auf ein Myelodysplastisches Syndrom gibt die Blutuntersuchung. Die untersuchte Probe enthält typischerweise weniger Blutzellen als bei einem gesunden Menschen. Dabei sind die unterschiedlichen Zellarten in verschiedenen Kombinationen oder allein betroffen. Meistens sind die roten Blutzellen vermindert (Anämie). Der Eisengehalt in diesen Zellen ist aber, anders als bei einer Eisenmangelanämie, nicht verringert oder sogar erhöht. Zusätzlich ist häufig die Zahl der weißen Blutzellen und der Blutplättchen vermindert (Leukopenie und Thrombozytopenie).

Ein Myelodysplastisches Syndrom beeinflusst neben der Zellzahl auch die Größe und den Hämoglobingehalt der Blutzellen. Die roten Blutzellen sind häufig vergrößert (makrozytär) oder verkleinert (mikrozytär) und weisen eine veränderte Form und einen erniedrigten oder erhöhten Hämoglobingehalt auf. Anhand des Blutbilds beurteilt der Arzt auch, ob vermehrt unreife Blutvorläuferzellen (Blasten) vorkommen. Das ist ebenfalls ein Hinweis auf eine gestörte Blutbildung und damit auf eine mögliche MDS-Diagnose.

Um andere mögliche Ursachen für die Symptomatik abzuklären, lässt der Arzt vom Labor weitere Blutwerte bestimmen. Dazu zählen zum Beispiel der Eisenspeicherwert Ferritin und das Enzym Laktatdehydrogenase (LDH). Ist seine Konzentration erhöht, weist dies auf einen gesteigerten Zerfall bestimmter Zellen hin. Vitamin B12, Folsäure und Erythropoetin sind ebenfalls an der Blutbildung beteiligt und liefern dem Arzt zusätzliche Hinweise für die Diagnose.

Knochenmarkpunktion und Knochenmarkbiopsie

Besteht durch eine auffällige Blutuntersuchung der Verdacht auf ein MDS, bestätigt eine Knochenmarkuntersuchung die Diagnose. Bei der Knochenmarkpunktion führt der Arzt unter örtlicher Betäubung eine dünne Nadel in das Knochenmark ein und saugt damit Zellen und Flüssigkeit heraus. Bei einer Knochenmarkbiopsie entnimmt er mithilfe einer Stanze eine Probe von Knochen und Knochenmark.

Anschließend untersucht er das Aussehen der blutbildenden Zellen unter dem Mikroskop. Bei Menschen mit MDS findet der Arzt bei der Untersuchung des Knochenmarks eine erhöhte Anzahl von Blasten. Darüber hinaus ist das Aussehen der blutbildenden Zellen verändert.

Wichtig für die anschließende Therapie des Myelodysplastischen Syndroms ist der Nachweis, ob und wie das Erbgut der Knochenmarkszellen verändert ist. Dies gelingt mit einer Chromosomen- beziehungsweise Genanalyse der bei der Knochenmarkpunktion entnommenen Zellen.

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Vorbeugen

Da die Gründe für die genetischen Veränderungen der Blutstammzellen in den meisten Fällen nicht bekannt sind, ist es nicht möglich, der Erkrankung wirksam vorzubeugen. Es ist allerdings ratsam, bekannte Risikofaktoren zu meiden oder sich an die geltenden Sicherheitsbestimmungen zu halten, wie beispielsweise beim beruflichen Umgang mit bestimmten Lösungsmitteln oder mit radioaktiver Strahlung.

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Myelodysplastisches Syndrom (MDS) (2024)

FAQs

What is the life expectancy of a person with MDS? ›

People with low-risk myelodysplastic syndromes (MDS) can live for five years or more with current treatments. People with high-risk MDS, who develop acute myeloid leukemia (AML), have a reduced life expectancy. MDS has various subtypes, which are detected by blood and bone marrow tests.

Is MDS a serious condition? ›

Risk of development into leukaemia

Some people with MDS go on to develop acute myeloid leukaemia (AML), which is cancer of the white blood cells. This is known as "transformation". It can take a few months or up to several years before transformation takes place.

What percentage of MDS turns into leukemia? ›

About 25% to 30% of people with MDS will develop acute myeloid leukemia, a fast-growing cancer of bone marrow cells.

What happens if you don't treat MDS? ›

Without enough healthy blood cells, you may develop serious conditions like anemia, frequent infections and bleeding that won't stop. Some people with MDS may develop acute myeloid leukemia (AML).

Is MDS considered terminal? ›

Some patients may have less than 1 year to live from the time of their diagnosis, and others may live 10 or 15 years, or more. In some cases, MDS can progress to acute myeloid leukemia (AML) if it gets worse.

What is the most common cause of death in MDS? ›

Abstract. Myelodysplastic syndromes (MDS) are clonal disorders of hematopoietic stem cell with low life expectancy due to several blood cytopenias and high risk of acute myeloid leukemia transformation (AML). Classically, evolution to AML, infection, and hemorrhage are reported as the main causes of death.

What are the final stages of myelodysplastic syndrome? ›

Are there any signs of end stage MDS? Loss of appetite, tiredness, more frequent transfusions, wanting to sleep a lot.

How quickly does MDS progress? ›

For some people, MDS develops very slowly and may stay the same for many years. For others, it develops much faster and can make people very ill, as more and more blood cells are affected over time. Some people with MDS go on to develop another type of blood cancer called acute myeloid leukaemia (AML).

Which MDS patient has the best prognosis? ›

WHO Prognostic Scoring System (WPSS)
  • The type of MDS based on the WHO classification (For example, certain types of MDS-SLD and MDS-del(5q) tend to have the best outlook, whereas MDS-EB tends to have the worst.)
  • Chromosome abnormalities (grouped as good, intermediate, or poor)
Jan 22, 2018

Can MDS go into remission? ›

Intensive chemotherapy can sometimes put people into remission. This means there are no signs of MDS when samples of your bone marrow are looked at under a microscope. Usually the remission is temporary, and without further treatment the MDS eventually comes back.

Is MDS a disability? ›

MDS can grow more severe over time, and even develop into an aggressive leukemia known as acute myelogenous leukemia (AML). A confirmed diagnosis also makes you eligible for Social Security disability benefits, as MDS is recognized as a disabling condition.

Does MDS affect the brain? ›

Myelodysplastic syndrome (MDS) primarily affects the bone marrow and blood cells, leading to abnormalities in their production. While MDS itself doesn't directly affect the brain, some symptoms or complications related to the disease or its treatments may indirectly impact neurological function.

Can I live a normal life with MDS? ›

You can lead an active and fulfilling life with MDS. If your condition makes activities you've done in the past more difficult, this is a good time to reinvent yourself. Try something new that you haven't done before.

What not to eat when you have MDS? ›

Eating, Diet, & Nutrition for Aplastic Anemia & Myelodysplastic Syndromes
  • fully cook all meat, fish, and egg dishes.
  • avoid fruits and vegetables that you cannot peel.
  • avoid raw foods.
  • avoid unpasteurized cheese, milk, and other dairy products.
  • avoid unpasteurized juices.

What organ does MDS affect? ›

Myelodysplastic syndromes , or MDS for short, are cancers that start in the bone marrow, the soft inner part of some bones where new blood cells are made. In MDS, some cells in the bone marrow don't grow like they should, so there aren't enough of some types of blood cells.

What are signs that MDS is progressing? ›

In time, myelodysplastic syndromes might cause:
  • Fatigue.
  • Shortness of breath.
  • Unusual paleness (pallor), which occurs due to a low red blood cell count (anemia)
  • Easy or unusual bruising or bleeding, which occurs due to a low blood platelet count (thrombocytopenia)
Oct 26, 2022

What is the prognosis for elderly people with myelodysplastic syndrome? ›

Age is an important risk factor for MDS, with a median age at diagnosis of approximately 70 years old. Despite progress in diagnosis and treatment,3, 4 overall survival in advanced disease is approximately 1 year,5 and the only known curative therapy is hematopoietic stem cell transplantation (HCT).

How fast does myelodysplastic syndrome progress? ›

For some people, MDS develops very slowly and may stay the same for many years. For others, it develops much faster and can make people very ill, as more and more blood cells are affected over time. Some people with MDS go on to develop another type of blood cancer called acute myeloid leukaemia (AML).

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Author: Lidia Grady

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